Gedanken zur Boost Bottle

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Georg
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Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von Georg »

Wir haben Zuwachs bekommen und zwei Peugeot-Scooter am Hof - einen Jetty und einen Speedy. Wie ich so Ersatzteile suche stolpere ich unweigerlich über die einschlägigen Tuning-Angebote - unter anderem die sogenannten Boost Bottles.

Jetzt kennen wir die ja von unseren TDRs und haben sogar zwei davon im Ansaugtrakt... Das versuchte ich dann mal in Einklang zu bringen mit der häufigen zu lesenden Einlassung, die würden nichts bringen und bestenfalls schön aussehen. Warum hat Yamaha (Minarelli?) uns da gleich zwei davon eingebaut?

Die gängige Erklärung ist, die Boost Bootles würden zurückflutendes Gemisch "puffern" und damit verhindern, dass es im schlimmsten Falle beim zweiten Durchgang durch den Vergaser angefettet würde. Das halte ich aus zwei Gründen für falsch:

1. Die Vorkompression in der Kurbelwellenkammer ist immer größer wie die mit Schwung anlaufende Luftsäule, so dass die Membrane nicht nur ziemlich sofort schließen, sondern auch zu bleiben. Das einzige Gemisch, was da zurückfluten würde, wäre ein sehr kleiner Teil, der nicht unmittelbar vor den Membranen stehenbleibt, sondern durch Kompression und Dekompression zurückschwingt.

2. Viel wichtiger ist, dass die Strömung im Vergaser zusammenbricht und deswegen auch kein Gemisch mehr erzeugt (Venturi...) wird.

Deswegen denke ich, dass die Aufgabe der Boost Bottles ist, die Kompression der anlaufenden Luftsäule zu mindern und den Zeitpunkt zu verzögern, wo die Ansaugluftsäule durch Dekompression zurückfedert. Wenn dann der Zylinder wieder ansaugt, saugt er nicht gegen die Gegenbewegung der Luftsäule an, sondern saugt ein relativ ruhig stehendes Gemisch an - virtuell ist der Ansaugquerschnitt sogar vergrößert, wenn die Ankopplung der Boost Bottle nahe genug am Membranblock ist.

Die Yamaha-Boost-Bottle ist relativ nahe dran und mit einer relativ großen Öffnung angekoppelt. Die Handelsüblichen sind zwar von der Größe für die 50-ccm-Zylinder wohl ausreichend, aber die Montagesätze sehen da 10, 20 Zentimeter lange Schlauchanbindungen mit Spritschläuchen vor. Das würde mich auch wundern, wenn das was bringen würde.

Aber wenn man einen ordentlichen Schlauchflansch (8mm - fast so groß wie bei der TDR, aber dann eben länger) in den Ansaugbogen direkt einbaut und dann mit minimaler Schlauchlänge das Volumen anbindet, müsste das eigentlich sehr zuverlässig auch da den Volumenstrom beruhigen.

Teilt jemand meine Überlegungen? ;)
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schubsi
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Re: Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von schubsi »

Ich habe mal ein englischsprachiges Testvideo betrachtet, da wurden diese "Boost-Bottles" negativ bewertet, man konnte die ausgiebigen Fahrversuche auch komplett begleiten: Testfahrzeug war ein sehr exotisches "Fahrrad mit Hilfsmotor" (UK) - sehr ulkig - aber was solls...

Yamaha hat nur ein einziges "Bottle" (Yamaha-Energy-Injection-System = YEIS) eingebaut, jenes knapp vor der Membran, das Ding VOR dem Vergaser ist ein "Ansaugdämpfer", der vermutlich bei ganz bestimmten Drehzahlen nichtgewünschte Geräusche mindert, genaues weiß ich nicht. Vieleicht auch ein Resonanzraum, um die um die Ecke strömende, verwurstelte Ansaugluft ein bissl zu "glätten", wie auch immer ...

Ich könnte mir vorstellen, dass das YEIS, da es in der Rep-Anleitung als solches ja auch beschrieben ist, zumindest in der 15-PS-Variante einen positiven Effekt hat. Fährt man den Minarelli "offen" (~23 PS), könnte das serienmäßige YEIS möglicherweise falsch dimensioniert sein - oder völlig überflüssig ...
Grundsätzlich haben die Boost-Bottles vielleicht auch eine Daseinsberechtigung, auch wenn nicht in dem Maße relevant, wie es von den "Tuninganbietern" so glorreich vorgetragen wird.

Diese Tuning-Dinger haben sicherlich was mystisches, das YEIS steht IMHO ein bissl besser da, weil von Yamaha-Ingenieuren erfunden und in die Praxis umgesetzt...

LG
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freeyourminds
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Re: Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von freeyourminds »

Das YEIS soll laut Yamaha Gemisch zwischenspeichern und so für ein gleichmäßigeres Ansprechverhalten sorgen. Der Motor reagieren dadurch homogener, es soll konstantfahrruckeln und Lastwechsel ausgleichen. Zusätzlich soll es etwas mehr drehmoment bringen aber nur in der unteren Hälfte des Drehzahlbereichs, das kann man bei den 17Nm, die der Motor liefert wahrscheinlich nur auf einem Prüfstand nachweisen und nicht spüren.

Der Behälter zwischen Vergaser und Luftfilterkasten ist ein Dämpfer für das Ansauggeräusch, deshalb ist er auch mit einem offenporigem Schaumstoff gefüllt.
Georg
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Re: Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von Georg »

Ein paar Leute argumentieren damit, dass das schlichtweg Helmholtz-Resonatoren wären - und für bestimmte Betriebszustände stimmt das wahrscheinlich auch. Allerdings sind Helmholz-Resonatoren eine ziemlich schmalbandige Angelegenheit - und die schwingen dann vor allem eine halbe Oktave drüber und drunter in Gegenrichtung. Nur so theoretisch würde dann bei einer Abstimmung auf eine Frequenz von 8000 Hz = 8000 u/min bei 6000 und 12000 u/min das Gegenteil passieren. Deswegen glaube ich, kommt es eher darauf an, das Volumen genau nicht als Resonator abzustimmen und auf Dämpfung zu fokussieren. Also eine gezielte Fehlabstimmung, um nur die Druckentlastung nach Schließen der Membrane zu erreichen.

Wären die als Helmholtz-Resonatoren gerechnet, würde das allerdings erklären, warum der "vordere" mit Schaumstoff gefüllt ist: die Füllung mit einem porösen Medium senkt die Schallgeschwindigkeit und vergrößert damit virtuell das Volumen. Die Bottle kann kleiner sein - das geht natürlich nicht mit der vor dem Membranblock, weil da sonst das Gemisch hängenbleibt.

Deswegen denke ich, dass beide eigentlich die gleiche Aufgabe haben - zu verhindern, dass sich die Luftsäule gegen die Drehzahl aufschwingt.

Interessant finde ich in dem Zusammenhang dann den "Flüssigkeitskompensator m.a.c.s.i." von Malossi. Der ändert mit den Ansaugverhältnissen sein Volumen -> Video

In meinem ersten Auto - einem Mercedes 115/8 220D - hatte ich im übrigen das Gegenteil davon: das sogenannte Schwingsaugrohr. Das Ansaugrohr vor den vier Zylindern war so gestaltet, dass die Zündfolge 1 - 3 - 4 - 2 (glaube ich.. ist 30 Jahre her...) eine Schwingung im Ansaugrohr anregte, deren Druckmaximum für einen bestimmten Drehzahlbereich immer genau vor dem Zylinder lag, der gerade ansaugt. Gesteuert bzw. gehemmt wurde das mit einer Membran an einer Seite, die per Unterdrucksteuerung die Schwinglänge leicht variierte. Das Mazda nochmal bei den Dieseln der 626-Reihe in den späten 80ern aufgegriffen und das hießt dass dann "Comprex-Diesel".

Die Membran hat's immer wieder mal zerrissen und dann kriegte sich der Leerlauf überhaupt nicht mehr ein und oszillierte nervig um eine Mittelfrequenz - das sogenannte Sägen.
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schubsi
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Re: Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von schubsi »

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# Ein paar Leute argumentieren

Das dürfte wohl unser größtes Problem sein, dass im Netz der Netze jeder so ziemlich alles publizieren darf, ohne irgendwem Rechenschaft darüber abgeben zu müssen :wink:

# Also eine gezielte Fehlabstimmung

Das erscheint mir schon realistischer, denn...

Ist Dir schon mal aufgefallen, dass der Motor in der werksmäßigen 15-PS-Version ausgesprochen bescheiden läuft? Genau dann, wenns eigentlich anfängt "Laune zu machen" kommt nix mehr. Ja klar, so um die 7.000 U/min werden die gesetzlich vorgeschriebenen 15 PS erreicht und darüber darf nix mehr kommen (so knapp über 100 sollte sie aber schon laufen).

Ich denke, die hardwaremäßige Konfiguration "ab Werk" ist ein Bündel von Maßnahmen, um die max mögliche Leistung und Fahrbarkeit zu erreichen, gleichzeitig aber auch die Restriktionen zu erfüllen. Wenn wir als Nutzer den Drosselkonus entfernen, ist nichts mehr so wie es mal war, die einzelnen Komponenten tun dann nicht mehr das, wofür sie von den Inschenören ursprünglich eingesetzt wurden. Außerdem bewegen wir die kleine auch nicht mehr in den Drehzahlbereichen, die vor der Entdrosselung angesagt waren, denn Laune macht der Motor eher um die 7000-8000...
Insofern halte ich es nicht für unwahrscheinlich, dass so manche Komponenten als "Fehlabstimmung" gemeint waren und im offenen Betrieb eher stören als nützen.

# Helmholtz-Resonatoren ... Schwingsaugrohr

Ganz ehrlich: Mit dem, was Du Dir da inzwischen angelesen und angeeignet hast, bis Du mir bereits um mehrere Längen voraus, ich kann da nicht mitreden :wink:
Ich verfolge lediglich den Grundsatz, dass die kleine möglichst authentisch ausschaut, mit allem dran was urspünglich auch dran gehört. Ich bewege meine schwarze Perle auch eher im gesitteten Modus - Höchstleistung wird nur sehr selten abgerufen. Würde ich Ansaugtrakt (YEIS weg) und LuFi-Kasten modden (Dämpfer entfernen) - auch wenns vorteilhaft wäre - , würde ich mich nicht wohlfühlen. Ich habe auch gar keine Zeit dazu, eine Modifikation zu erarbeiten, die auch wirklich positivie Auswirkungen hätte...

Nachteilig ist, dass wir uns auf unbekanntem Terrain befinden: Es gibt leider keine werksmäßige Konfiguration (mit Ausnahme der exotischen 22 kW-Belgarda Varianten von TDR und TZR in den 90ern, da wurde aber noch mehr gemacht (SP-Motor?) - IIRC war Belgarda so was ähnliches wie ein Rennstall?), an der man sich orientieren könnte, was denn wie geändert werden muss, damit der Minarelli in einem standfesten Modus mit hoher Leistung (also ungedrosselt, aber auch ungetuned) betrieben werden kann. Obwohl, es gab (vielleicht) eine portugiesische Motorvariante in einer DT125 modernerer Bauart (schon mit nicht einstellbarer Ölpumpe)...

Ich kann nur - wie oben schon geschrieben - beitragen, dass ich auch schon mal über Boost-Bottles als Tuningmaßnahme gestolpert bin und nach einigen oberflächlichen Recherchen zu dem Schluss kam, dass das irgendwie Humbug sei...

LG
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Georg
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Re: Gedanken zur Boost Bottle

Beitrag von Georg »

# Ein paar Leute argumentieren

Ja nun.. man guggt sich halt an, was die so von sich geben und wenn man ein paar Statements findet, die man nachvollziehen kann oder die bekanntermaßen richtig sind, dann schafft das schon eine gewisse Autorität.

Aber auch gestandene, erfahrene Mechaniker widersprechen sich zum Teil heftig - allgemein: Die Leute halten sich für schlauer als sie sind und die weisesten von uns wissen, dass sie sich dabei nicht ausnehmen dürfen.. ;)

Wenn wir als Nutzer den Drosselkonus entfernen, ist nichts mehr so wie es mal war

Weißt Du denn, wie die 17-kW-Versionen in Frankreich, Italien und Schweiz verkauft wurden? Ich würde nämlich annehmen, dass die DT und TDR eigentlich als 17-KW-Mopeds durchkonstruiert wurden - also mit der Entfernung der Krümmer-Drossel kommen wir dem Entwicklungsziel erst nahe...

Ich hab' Deine Überlegungen zur Standzeit beim offenen Betrieb gelesen und ich denke, dass Du recht hast. Aber der Fehler ist möglicherweise, die Standardübersetzung 16/57 nicht zu ändern bzw. die Zündzeitpunktverschiebungen nicht "zurückzunehmen" - nicht der offene Betrieb. Ich fahre mit 17/57 und denke sogar über 17/55 nach, weil es mir lieber ist, dass der bei Top Speed nicht weiterkommt, weil er verhungert, statt dass er an sein Drehzahllimit kommt. Ich komm' praktisch nie über 9.000 Touren und fahre im Regelbetrieb auf den Landstraßen mit 90 km/h bei 7.000 Touren.

Und ich fahre den Athena-125er und ich bin so begeistert von dem, weil der einen so schönen, weit nach unten reichenden Drehmomentverlauf hat, den ich mit den 4FU-Zylinder so nie hatte.

Ich hab' offen das Gefühl, ich fahre das Moped so, wie es gedacht war... Mal abgesehen von dem weichen Fahrwerk vielleicht.... ;)

Belgarda

Belgarda dürfte einfach eine Art Veredler gewesen sein, wie Mercedes AMG beispielsweise. Die Italiener sind ja Motorrad-Fanatiker, da ist der Markt vielleicht groß genug für solche Nischen gewesen. Insofern sind deren Modelle ein bisschen schwierig, weil Standfestigkeit kein primäres Produktziel für Enthusiasten ist.

Wie gesagt - ich denke, dass wir die 17-kW-Version fahren, die nur mit Drossel auf 11 kW gebracht wurde. Soweit ich mir das quer angelesen habe, haben wir beim Rotax 122/123 - die einzige Konkurrenz zum 4BL in der Zeit - eine ganz ähnliche Situation. Die 9-/11-kW-Versionen haben dann keine Auslaßsteuerung. Aber die Aprilia-Mopeds mit Rotax sind eben auch offen mit 17 kW unterwegs... Angeblich sind bis zu 25 kW möglich, womit wir dann auf dem Niveau der Belgarda-Version wären.

Ich hab' eigentlich total Bock auf eine Aprilia Classic 125... aber meine Leben ist zu kompliziert für noch mehr Mopeten...

Verbrauch

Noch ein Indiz ist, dass der Verbrauch nach Entfernung der Krümmerdrossel (und der ersten Begeisterung... ;) ) eigentlich kaum ansteigt. Da könnte dafür sprechen, dass in der 11-kW-Version in der Tat YEIS eher nutzlos ist, aber eben offen schon seine Wirkung hat. Aber das ist auch schwer davon zu trennen, dass man offen mit niedrigeren Drehzahlen unterwegs ist, weil man früher schalten kann und am Berg nicht sofort runterschalten muss...

Aber es muss doch möglich sein, ein Erklärungsmodell zu finden, dass uns sagt, was das tut oder eben was nicht..

Vielleicht fahr ich mal einfach ohne den YEIS-Behälter und mach einen Stopfen rein...
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